17.08.17

Zelda, der Atem der Wildnis, das Jahr 2017 und die Leere

Wie ich - vermutlich viel zu - häufig erwähne, spiele ich schon sehr lange Computerspiele. Im Wesentlichen gibt es nur sehr wenige, heute noch laufende Spieleserien, deren erster Teil erschienen ist bevor ich zu spielen begonnen habe (Donkey Kong (1981) und Mario Bros (1983) würden mir auf die Schnelle einfallen).

Das führt dazu, dass mich einige Spieleserien (oder neudeutsch: Franchises) schon mein ganzes Spielerleben begleiten. Mit manchen verbinde ich mehr, mit manchen weniger. Manche haben schon oft enttäuscht, manche noch nie.

Schon lange habe ich mir angewöhnt, Spiele erst einige Zeit nach dem Erscheinen zu kaufen - sie sind billiger, Bugs sind ausgebügelt (mittlerweile leider auch ein Thema bei Konsolenspielen), und man hat mehr Information darüber, ob - bzw mittlerweile wie sehr - einen die Publisher mit (Day-One-)DLC, Mikrotransaktionen und ähnlichem über den Tisch ziehen.

Genug der Vorrede, heute geht es um Zelda - Breath of the Wild.
Warnung: Ein bisschen Spoiler werden sich nicht gänzlich verhindern lassen, so wie immer versuche ich diese aber so minimal wie möglich zu halten.

Das Zelda schon immer Open World war, habe ich schon argumentiert.

Einen neuen Teil einer langlaufenden, konsistent guten Serie zu spielen ist immer auch ein bisschen wie heimkommen - Zelda BotW will dir dieses Gefühl aber zu keinem Zeitpunkt geben. Mit relativ wenig Vorgaben schmeißen sie dich in eine relativ leere Welt, in der die meisten Dinge, die sich bewegen, dich umbringen wollen (und am Anfang bzw solange man noch ungeübt ist, das auch sehr leicht schaffen). Achja, irgendwie postapokalyptisch soll das alles auch sein, aber die Apokalypse ist 100 Jahre her, aber viele Leute von damals leben noch (völlig unklar wieso, vielleicht sind die 100 Jahre ein Übersetzungsfehler, 7 Jahre würde in fast jeder Hinsicht mehr Sinn ergeben), es gibt ein paar Ruinen, aber sonst will sich kein postapokalyptisches Gefühl einstellen.

Schon im oben verlinkten Artikel frug ich mich, ob es in dem Spiel, wo man das meiste in beliebiger Reihenfolge machen kann, ein Gefühl von Fortschritt und Errungenschaft geben wird. Die richtigen Fragen zu stellen ist wichtig.
Es liegt zwar nicht an der Reihenfolge der - wenigen - Hauptdungeons (wobei das Spiel einem sowohl einen ersten als auch einen letzten zumindest empfiehlt), die sind ganz ausgezeichnet gemacht (auch wenn ich die Rätsel stellenweise mühsam gefunden habe - das lag aber mehr an mir bzw an einer Abneigung gegen 3D-Rätsel, wo man viel ausprobieren und rumrennen muss). Auch die Story, die sich um diese Dungeons und die Gesamtgeschichte rankt, ist dramaturgisch brauchbar und angenehm knapp umrissen, die 100 Jahre wirken wie erwähnt meistens unschlüssig. Die Sprecher und -innen machen ihre Aufgabe sehr gut, sie haben es auch wieder geschafft, dass Link ein stummer Protagonist bleibt, ohne dass dies in den Filmsequenzen oder sonst schlecht oder unfreiwillig komisch wirkt.

Soviel zum Guten, aber wir wollen ja von der Leere sprechen.
Und Hyrule ist, auch das ist so ein Marketingschmäh, schon ziemlich groß. So wie die meisten Open World Games - größer ist in der Marketingsprache (und im Rezensionsfeedback) augenscheinlich besser.
Rainer Sigl schrieb ja einige Zeit gegen die Open-World-Spiele an, die ihre riesigen Welten mit unzähligen kleinen Dingen füllen, die man einsammeln muss und einen so mehr vor das Problem des Traveling Salesman stellen, was dann mehr Arbeit als Spiel wurde. Seine Kritik war nicht unberechtigt, ob aber große Weiten, die man überwiegend zu Fuß durchquert, und außer schöner Landschaft nur gelegentlich Ruinen, mal wieder Feinde und vereinzelt normale NPC und ihre Siedlungen findet, sei dahingestellt. Das Problem ist jetzt auch nicht die Weite an sich - es ist (vom Hauptquest abgesehen, wo man aber nur ein paar Plätze besuchen muss) einfach nicht sehr lohnend, irgendwo langwierig hinzustapfen und dann dort bestenfalls einen schönen Ausblick zu finden. Waffen und Schilde, die man einsammelt, brechen früher oder später. Zutaten findet man zuhauf, es gibt sehr viele verschiedene, aber sie haben nur eine Handvoll Eigenschaften. Was es sonst zu finden gibt, von dem braucht man ein paar Dutzend, damit sie irgendeinen Effekt haben.
Siedlungen und Leute gibt es nur ein paar, es gibt durchaus einige Siedlungen, in deren Nähe man beim Hauptquest auch gar nicht kommt. Die Siedlungen sind zwar nett gestaltet, aber außer etwas Sightseeing gibt es dort nicht viel zu tun - die Dinge die man kaufen sind, sind entweder rasch verbraucht oder sehr teuer (und Geld zu sammeln ist mühsam und dauert lange), und die Sidequests sind manchmal nett erzählt, sonst aber auch eher "Bring X Stück von Ding Y", und bekomme dafür Y Stück von Ding X oder eine Summe Geld, die nur selten in eine sinnvollen Verhältnis zun Aufwand steht.
So gesehen sollte man sich auf den Hauptquest konzentrieren, aber das Spiel lockt dich laufend mit "Kletter doch auf diesen Berg", "schwimme zu dieser Insel" usw, aber dort ist aber dann doch wieder meistens nichts, und Aussichtspunkte gibt es wie bei Assassin's Creed sowieso, von denen man die Aussicht besser genießen kann.
So gesehen wäre es besser, einfach nur den Hauptquests zu folgen, die sind gut gemacht, nicht zu langwierig, und geben einem das Gefühl von Fortschritt. Den Quest, wo man an die 20 "Erinnerungsorte" ohne besondere Anhaltspunkte, wo sie sind, finden muss, die man aber nur als solche angezeigt bekommt, wenn man direkt daneben steht, würde ich ignorieren. Dann sieht man vielleicht nur 20-30% der Karte, aber die schönsten Landschaften sind dabei, und man entgeht der Leere.
Wäre ich das so angegangen, wäre ich wohl weniger enttäuscht.

Achja, das Ende ist auch eher mau, das ist bei Zelda aber typisch.

All das zeigt auch, dass die Zugehörigkeit zu einer großen Serie auch Ballast ist: Würde das Spiel heißen Franzl & Sissi - Breath of the Wild, und auch sein (Excalibur statt Master Sword, Belzebub statt Ganon, Amazonen statt Gerudos usw), dann würde ich mich auf einen Tweet beschränken "Franzl&Sissi durchgespielt. Spiel ganz gut, mehr auch nicht, Ende mau" und 3 Jahre später würde ich mich nicht mal erinnern können, was das war.

BotW hat frenetische Kritiken bekommen, 97 auf Metacritic glaube ich, besser geht es faktisch kaum.
Es ist ja auch kein schlechtes Spiel, und es hat sehr vieles gemacht, was derzeit modern ist und bei Kritikern beliebt:
riesige, leere Welt, in der es dann aber doch wenn man lang genug rumrennt irendwas zu entdecken gibt
postapokalyptisch, aber doch irgendwie hübsch anzuschauen
sehr viel Freiheit bei dem was man tut
nicht zu leicht, häufiges Draufgehen bzw erfordert Fertigkeiten
knappe Ressourcen, irgendwie doch grindlastig und Collectathon
sehr viel zu tun (was aber wenig bringt und auch fast vollständig optional ist)
detaillierte bis komplizierte Spezialmechaniken (kochen, Rüstungsboni, Kilton, Blood moon)
Brechen mit Traditionen
irgendwie kaputte Helden

Es ist geradezu für die heutige Kritik gemacht - wobei ich keinesfalls unterstellen wollte, dass das mit dieser Absicht war.

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